Fussball WM – zum Weinen

von 2b am 20. Juni 2006

Es ist Montag, 13. Juni. Ich mache Rootwork mit einer Gruppe. Wie üblich gibt es starke innere Bewegungen. Da brandet von draussen ein Hupkonzert auf und verschafft sich für einen Augenblick Aufmerksamkeit im Raum. Damit ist klar: Die schweizer Fussballer haben gewonnen. Nach dem Kurs habe ich Pause und gehe auf die Strasse, um eine Kleinigkeit zu essen. Aber da ist nicht ein blosses Hupkonzert, vielmehr gerate ich in in ein wahres Volksfest hinein, das sich mitten auf der Strasse spontan entwickelt hat. Cabrios, mit riesigen Schweizerfahnen geschmückt, stehen quer auf der Strasse. Zahlreiche Menschen schwenken Schweizer Fahnen. Gesänge, Johlen, Hupen – ausgelassene Freude überall. Wir haben gewonnen!
Ich stehe da und freue mich lächelnd mit. Und es treibt mir Tränen in die Augen. Nach dem Rootwork bin ich stets etwas dünnhäutig. Freude darüber, dass sie gewonnen haben – und eben doch auch ein bisschen wir. Zur Frau am Kebabstand sage ich: „Nun müssen Sie sich halt stellvertretend freuen.“ Sie lacht herzlich und ein bisschen verlegen.

Muss Beni Thurnheer, diese liebenswürdige und geistreiche Ikone der Verlierer, nun bald von der Sportbühne abtreten? Er verpasst ja keine Gelegenheit, in irgendeiner Form ‚les petits Suisses‘ heraufzubeschwören, die gegenüber den andern, Grossen, doch nie über einen Achtungserfolg hinauskommen. Als superbraver ‚petit Suisse‘ verbietet er sich sogar ein ‚denen haben wir es gezeigt‘.
Aber was waren denn das für Tränen bei mir? Freudentränen? Siegertränen? Nein, nein. Freudentränen existieren gar nicht. Das verbietet schon die Logik. Es waren entfernte Verlierertränen. Sie sind Ausdruck der (schlechten) Erinnerung und Sehnsucht, wenn (eigentlich unverhofft) der Sieg aufscheint. Nicht einmal unser Ausnahmekönner Roger Federer ist da eine Ausnahme. Ich beantrage beim Papst, Beni-die-Ikone seelig zu sprechen.

Die Suisses aber, die heute auf dem Platz standen, finden sich gar nicht petit. Wenn sich da nur mal keine Winnermentalität in der Schweiz breit macht. Das wäre echt subversiv. Trotzdem oder gerade deshalb – wann darf es mir lieber sein auszurufen:
Den Jungen gehört die Zukunft!
Wie wär’s da mit einer ansteckenden Krankheit?
Mit dem Namen: LES SUISSES GAGNENT? C’EST NORMAL!

2 Kommentare »

  1. na du weinerlicher softy, du hast ja eine lustige website. ich jedenfalls weine schon lange nicht mehr, über gar nichts. wozu auch? was bringt’s? ich finde die freude einfach nur geil.
    aber deine bemerkung zu beni-national ist ein schuss ins lattenkreuz. bravo! das trifft’s genau! deshalb schreibe ich dir. ich habe sogar den eindruck, dass viele sich eigentlich deshalb über ihn ärgern. aber mach mich ja nicht zum psychologen. mit dieser brut habe ich nichts am hut. aber beim alten schwachkopf ratzinger spreche ich gern für dich vor, zwecks seligsprechung.
    tschüss, vielleicht komme ich wieder mal zu besuch.

    2b am 20. Juni 2006 um 18:14 Uhr

  2. Ich habe deinen Fussballtext im Web gelesen, leider bin ich nicht so auf dem Laufenden, was die Beni-Ikone betrifft.
    Der Kommentar ist ja krass! (ok, nein, wenn
    mans cool nimmt nicht (dann ist er doof)).

    MvG am 9. August 2006 um 14:32 Uhr

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