In eigener Sache – Comments II
Ich habe mich kurzerhand entschlossen, doch den ganzen Text des Kommentars hier zu publizieren.
Der erste Teil ist das Original vom Kommentar, in Kleinbuchstaben. Der zweite Teil in konventionellem Satz.
ihre fragen, frau s., sind von kritischer anmut.
die heutige hat mich zu einem statement angeregt. nichts für ungut!
meine einstellung zu diesem blog ist, dass er ein ganz persönliches medium ist. ich erzähle vor allem von mir, von meinen erkenntnissen und erfahrunen. es mag erstaunen, aber das persönliche gibt mir freiheit. ich bin dadurch frei, auch meine erkenntnisse persönlich einzufärben, sie zb auf humorvolle weise zu präsentieren, sie nicht so tierisch ernst zu nehmen (der ausdruck sagt“s: tiere sind meist ernst, gehen zur sache. aber ich habe auch schon gämsen schlitteln gesehen: ein sprung mit allen vieren in die luft, und ab geht die post, auf dem rücken über“s schneefeld geglitten; wieder rauf und noch einmal!).
indem ich es persönlich mache, bleibe ich unabhängig. keiner bestimmten darstellungsart, keinem stil, keinem bestimmtem lesergeschmack verpflichtet. ich kann die schwersten brocken so bringen, als ob sie daunenfedern wären und den schneeflocken das gewicht von zaunpfählen verleihen. ich kann mich – und das ist mir besonders wichtig – darum foutieren, wie, was und ob überhaupt aufgenommen wird.
also: gerade der vielen ‘ichs“ wegen dokumentiere ich, dass meine person unwichtig ist. ich bin mir stets bewusst, dass ich einer unter sechs milliarden bin.
Für wichtig hingegen halte ich meine Sache. Meine Erkenntnisse und die daraus abgeleitete Lösungspraxis. Ich bin mir absolut und 1000 (tausend) Prozent sicher, dass meine Einsichten Samen sind, die ungeahnte Frucht in sich tragen, und dass das Handeln, das ich vorschlage, visionär ist. Das wiederum heisst noch lange nicht, dass daraus je gesellschaftliche Relevanz erwachsen wird. Ich gestehe ein, dass das heute durchaus auch an meiner Person liegen kann. Aber wohl nicht nur. Jedenfalls sind die Zweifel an der praktischen Umsetzung in den letzten Jahren täglich ein bisschen gewachsen. Sie sind mittlerweile fast an jenem wohltuenden Punkt angelangt, wo mir das egal ist.
Das wiederum beflügelt meine Freiheit, mit meinen Erkenntnissen zu tun oder zu lassen, wonach mir gerade der Sinn steht. Und das, liebe Leserin, lieber Leser, können Sie an meinem „narzisstischen Blog“ (so etwas haben Sie, Frau S., doch gemeint, nicht?), so denke ich, leicht ablesen.
Trotzdem fühle ich mich 100% verantwortlich für meine Sache. Ich redigiere meine Texte – auch im Blog – sorgfältig und forsche unablässig, um die Praxis, die ich zurzeit noch täglich übe, weiter zu verbessern.
Was mich dazu motiviert, ist, meinen Beitrag in optimaler Form abzuliefern. Punkt. Diese Beschränkung wiederum macht mich – leider nicht unabhängig, aber frei. Und das ist ein sehr gutes, beschwingtes Gefühl.
Es macht Freude, sich als unwichtig zu erkennen. Ich wünsche diese Freude – zumindest ab und zu – von Herzen auch all jenen Personen, die wir andern als wichtig erachten.
Nun folgt noch ein Beispiel.
Ich habe einen Freund, der weltweit Beachtung findet. Über lange Zeit betonte er bei jeder Gelegenheit, wie unwichtig er sei. Doch mit jedem Mal, wenn er das sagte, schien für andere seine Wichtigkeit zu wachsen. «Aha,» schmunzeln nun die Journalisten, «diese Masche kennen wir.» Falsch! Ich weiss, dass dieser Freund das stets Ernst meinte (mittlerweile ist er alt und akzeptiert vielleicht seine „Wichtigkeit“). Und genau das machte ihn kaum angreifbar. Es beliess ihm die Freiheit, seine Arbeit so zu machen, wie das allein ihm richtig schien. Und die anderen blieben und bleiben ihrerseits frei, was sie damit anstellen.
So setze ich mich nun auf die laue Terrasse vor unserem Haus. Vor mir der prächtige Vollmond, der die weite Landschaft sanft erleuchtet. In meiner Hand der Rest eines schönen Geschenks: ein traumhafter Armagnac Jahrgang 1962.
Sehr geehrter Herr 2BD,
Agnes Schwarz am 7. September 2006 um 11:20 Uhrfür einen Moment hat es mir die Sprache verschlagen ob ihrem Kompliment. Danke.
Ich glaube, ich habe zumindest eine Ahnung von dem, was Sie meinen. Schwingt da eventuell noch eine gewisse Wehmut darüber mit, dass Sie nicht damit rechnen, dass ‚Ihre Sache‘ den Erfolg haben wird, den sie vielleicht verdient?
sie scheinen ein feines gespür für unausgesprochenes zu haben. wie ich gestern schrieb: ich bin fast an dem punkt. es ist wie das leere glas eines edlen weinbrands: der duft hängt noch für eine weile köstlich im glas.
ich schreibe zudem an einem weiteren essay über utopie und wirklichkeit, wo ich aufzeige, wie sich gesellschaftliche mindkonzepte ändern können und dann bedingungen schaffen für neues handeln.
2BD am 7. September 2006 um 11:25 Uhrihr 2BD