Dr. Hans Ulrich Wintsch – ein Nachruf
Lieber Hansueli
Lieber Lehrer und Freund
Etwas verspätet habe ich von deinem Tod erfahren.
Als ich mich in den Siebzigerjahren vom Lehrersein auf den Weg zum Psychotherapeuten machte, warst du die erste bedeutende Figur, die Einfluss nahm. Unvergesslich deine intensive Präsenz, dein liebevolles, zärtliches Wesen und deine Emotionalität. Nach einem netten Versuch mit Gesprächstherapie öffneten deine Primärtherapie und deine Selbsterfahrungsgruppen mir die Welt, in die ich intuitiv seit je hinein wollte. In dem ersten Jahr bei dir (1974) betrieb ich diese, zugleich meine Struktur erschütternde wie beglückende Arbeit quasi als Beruf. Mein Studium an der Uni wurde zur Nebensache. Das hat sich gelohnt!
Ausgerechnet durch dein überraschendes Weggehen (nach Amerika, zuerst zu Janov, dann zu andern) hast du mir durch Hinweise den Weg zu den Verfahren und den Menschen geebnet, die mein berufliches wie menschliches Fortkommen darauf für viele Jahre prägten: Bioenergetik sowie Bert Hellinger). Allein schon dafür gebührt dir mein grosser Dank.
Als du nach einem Jahr zurückkamst, tief verletzt und überhastet aus Amerika abgereist, war ich nicht bloss selber inzwischen weiter gereist, ich fand auch einen andern Menschen vor. Einen Menschen, der sich fortan der Psychoanalyse zuwenden wollte – dem Verfahren, das doch schon damals von der ungleich wirksameren Humanistischen Psychotherapie in den fernen Schatten gestellt worden war. Aus der Primärtherapie zur Psychoanalyse? Aus der Gegenwart zurück in die Geschichte? Das machte nun gar keinen Sinn, ausser man wollte ganz sicher sein vor weiteren emotionalen Erschütterungen.
Ich hatte stets den Eindruck: Das war eine falsche Entscheidung; es gibt keinen Weg zurück, auch keinen in eine alte Sicherheit; du brichst deine grosse, wunderbare Dynamik und ziehst eine einengende Grenze um dich.
Leider haben die späteren Begegnungen mit dir diesen Eindruck bestätigt. Du hattest vor einer bedeutenden Karriere gestanden. Jetzt war es wie wenn du schrumpfen würdest. Es war wie ein leuchtender Stern, der sich selber auslöscht
Dein intensives, liebevolles Wesen aber hatte in nichts einegbüsst. Doch nach ein paar weiteren wertvollen Kurserfahrungen und privaten Begegnungen (ich stand kurz vor meiner eigenen Therapeutentätigkeit) verloren wir uns ziemlich aus den Augen.
Aber jedes Mal, wenn wir uns wieder begegneten – sei es aufgrund einer Einladung, sei es zufällig im Zug – entstand etwas von der alten Magie. Das Kompromisslose und Visionäre verband uns. Ebenso wie das auf tiefer, unauslöschlicher Erfahrung gründende Wissen um die grosse Bedeutung von Nähe und Zärtlichkeit für ein lebenswertes Leben.
Schon seit Jahren bist du, Hansueli, für mich Erinnerung. Nun bleibt diese endgültig ohne Ziel.
Ich danke dir an dieser Stelle aus ganzem Herzen für den bedeutenden und wunderbaren Einfluss, den du auf meinen Lebensweg genommen hast.
In Liebe
Bernhard
lieber bernhard,
Ruth Wintsch-Lustenberger am 8. August 2007 um 22:00 Uhrheute nachmittag habe ich deinen nachruf gefunden.
bekanntes und neues erfuhr ich, offenes, ehrliches, berührendes. und ein vergnügen zu lesen war’s.
danke.
Ruth