Mir geht es gut
Wenn man nicht weiss, wie es einem geht, sagt man: «Mir geht es gut.»
In Amerika hat sich das zu einem veritablen Tabu entwickelt. Es darf einem keinesfalls nicht gut gehen!
Bei uns ist es auch bald soweit.
Ich kann das verstehen. Wenn man die Möglichkeiten, die Chancen und den vertretbaren Aufwand dafür nicht kennt. Irgendwie muss das Ganz doch funktionieren. Irgendwie wollen wir alle durchkommen. Und: Geht es den andern besser? Dann möchten wir wenigstens Erfolg haben.
So schaut denn das Ganze an der Oberfläche ganz passabel aus. Man versteht sich gegenseitig, lebt mehr oder weniger dasselbe Leben.
Wir klammern uns an das Image der Tüchtigen, die das Leben locker managen. Während in Wahrheit etliche, wenn nicht die meisten in mancher Hinsicht darben. Nur: Viele merken das gar nicht.
Und das ist das eigentlich Gefährliche daran.
Auf diese Weise kann man wie Lemminge schnurstracks in den Abgrund laufen und merkt das erst, wenn es zu spät ist.
Unser Image ist uns im Endeffekt eindeutig wichtiger als unser Leben. Geschweige denn, als solche Nebensächlichkeiten wie Lebensqualität. Das gilt in unserer Gesellschaft mittlerweile auch für die Frauen.
Vorschlag: Sobald Sie selber denken, oder die Formel hören: «Mir geht es gut,» stellen Sie das grundsätzlich in Frage. Dann schauen Sie genauer hin.
Ich habe aufgehört zu sagen „Mir geht es gut“. Ich habe drei Alternativen entwickelt zu dieser Frage. Die erste, ich sage „Mir geht es phantastisch“. Wenn es stimmt und ich das formuliere überrascht es jedes mal mich und mein Gegenüber. Es hat Kraft. Die zweite Alternative ist „nein, mir geht es schlecht“. Auch das überrascht und gibt gute Begegnungen. Die dritte Alternative von mir ist Schweigen mit gleichzeitigem Augenkontakt. Oft entlarvt dann mein Gegenüber die Farce der Frage und sagt „Oh entschuldige eine dumme Frage, ich hab gar keine Zeit, was ich eigentlich fragen wollte ist, ….“ und wir gehen gemeinsam zur Tagesordnung über.
Barbara R. am 11. Januar 2008 um 17:55 Uhr