Muss es denn Erziehung sein?
Was bin ich? Was schreibe ich bei der Anmeldung im Hotel als Beruf hin?
E-Manager? Klingt wie Bahnhof … (E-Man? Interessant!)
Energiemanager? Total missverständlich.
Verkäufer (von Pionierprodukten)? Taugt nicht, trotz meines Flairs für Understatement.
Berater? Tönt gut. Vor allem in Verbindung mit «Unternehmens-». Aber die sind jetzt gerade im Abschwung begriffen, werden zusammengestrichen. Und mit Beratung ist im Bereich «Umgang mit der eigenen Energie» nichts zu wollen, gar nichts. Gegen die moumentalen Stresskräfte und –mythen rennt man mit Beratung gegen eine Wand.
Weiterbildner? Schön wärs. Ich kann stundenlang vom E-Management erzählen, lauter spannende Informationen. Nur: Das Basiswissen ist so einfach und naturnah; das zu lernen dauert so lange wie das Trinken eines Sirups. Mit Wissen ist noch rein gar nichts getan. Auch die exemplarische Erfahrung in Workshops vermittelt nichts mehr, als genau das: eine exemplarische Erfahrung. Das reicht im besten Fall für Motivation, jedoch ohne die Energie und die Rahmenbedingungen, diese zur Umsetzung zu nutzen. Deshalb heissen all diese Dinge bei uns «Einführung».
Also zurück zu meinem Erstberuf, Lehrer? Damit kommen wir der Sache schon näher. Als Lehrer war ich … einfach Lehrer (und etwas Revolutionär). Als Psychotherapeut stellte sich bald heraus, dass ich wohl auch noch zum Lebenslehrer taugte. Als Institutsleiter war ich dann vor allem Lebenslehrer. Also, dieses Metier sollte ich kennen.
Doch, was macht ein Lehrer? Bilden! Wie tut er das? Ja, er vermittelt, lässt üben, prüft. Der Vorgang ist derselbe wie bei der Erziehung. Nur geht es zuhause in der Regel informeller zu und her. Ja, ein guter Lehrer erzieht zur Bildung. Er oder sie kann das pädagogisch geschickt machen oder weniger; am Schluss bleibt es das Gleiche: erziehen zur Bildung! Dabei ist wichtig – wichtig für den Erfolg: Erziehen bedeutet, in Echtzeit handeln! Bedeutet dabei sein, bis es gelingt; bedeutet mitverantwortlich sein für das Gelingen; bedeutet vermitteln, üben, beraten, überwachen, korrigieren, prüfen und schliesslich entlassen. Erfolgreich erzogen ist erst, wenn die entsprechende Praxis alltägliches, gesichertes Gut ist.
Als E-Manager muss ich wohl oder übel Erzieher sein.
Damit ist das Tabu gebrochen. Erwachsene lassen sich doch nicht erziehen!? Schon gar nicht die Crème de la Crème der Wirtschaft, die Manager!?
Nun, dann lernen sie es eben nicht. Geben weiterhin Millionen für Beratung und Weiterbildung aus, ohne jemals in der Lage zu sein, einen auch nur halbwegs vernünftigen Umgang mit der eigenen Energie zu pflegen (ich erinnere daran, dass Sie nicht selbst bestimmen können, ob Sie diesen halbwegs vernünftigen Umgang pflegen; schon gar nicht hängt das von Ihrem eigenen Empfinden oder Ihrer Einschätzung ab, sondern von Fakten, nur von Fakten!). Werden niemals eine auch nur halbwegs langfristig stabile Wirtschaft hinkriegen. Werden niemals in der Lage sein, sich vor krassen Fehlleistungen zu schützen.
Seit 25 Jahren beobachte ich nun das Ganze. Begonnen habe ich als selber betroffener Workaholic. Dabei fällt mir gerade auf, dass dieser treffende Begriff verschwunden ist. Ja klar, wenn alle süchtig sind, wird die Sucht nicht mehr als Sucht wahrgenommen, sondern als normal. Die Kokablätter kauenden Bauern in Entwicklungsländern nehmen sich auch nicht als Süchtige wahr. Ihr Leben erscheint ihnen normal, so wie sie es durch ihre verschwommene Brille sehen. Nicht zufällig nenne ich in meinem neuen Buch das Streben nach der täglichen Energiebalance die (zweit-)letzte Befreiung. Zurück zum Ex-Junkie Brändli. In den 25 Jahren hatte ich genügend Gelegenheit zu lernen, dass sich Menschen durch nichts dazu bewegen lassen, ihr selbstschädigendes Energieregime in ein lebensgerechtes umzuwandeln, als durch beharrliche, tiefgreifende Erziehung, so wie ich sie oben mit Stichworten beschrieben habe.
Tut mir leid, meine Damen und Herren. Doch musste ich mein Haupt auch verschiedentlich beugen. Das steht Ihnen, der Elite unserer Gesellschaft, besonders gut an. Sie werden doch nicht so unsicher sein, das Ihr Image das nicht verkraftet, oder? Take it for guaranteed: Wir haben das Verfahren nicht feiwillig gewählt. Wir erziehen nur so viel und so lange, wie unbedingt nötig.