Projekt: Ein Buch schreiben – Energiemanagement am Berg

von 2b am 30. August 2010

Es ist mir etwas unangenehm, dass ich, wenn ich von den grossen Touren, vor allem mit Häns Müller, berichte, nur von schlanken, erfolgreichen Erlebnissen schreiben kann. Dabei bin ich auf der Suche nach einem Foto für den Gervasuttipfeiler auf eine unglaublich witzige Schilderung gestossen, die aus einer Aneinanderreihung von Missgeschicken auf eben jener Tour besteht. Ich war richtig neidisch. Ich füge am Schluss dann doch noch einen Teil meiner Schilderung derselben Tour bei. Auch wenn ich nur der Follower war, ist es doch zwangsläufig eher ein Epos souveränen Heldentums. Nun ja, auch schön, oder…?

Was könnte ich denn von Touren berichten, die ich selber führte und zumindest teilweise in die (Sch…)Gasse ritt? Vielleicht die SAC-Skitour aufs Flüela Weisshorn, wo wir im dichten Nebel losmarschierten und nach einer Stunde feststellten, dass wir im falschen Tal unterwegs waren. Darauf folgte eine Ersttour durch steilen Wald um den Berg rum, um das richtige Tal zu erreichen, was mir spöttisches Schulterklopfen der alten SAC-Hasen einbrachte.
Oder neulich die Tour im Alleingang auf die Lägend Windgällen, als ich, weil ich zu bequem war, auf die Karte zu schauen, das Strässchen (ein Strässchen!) ausliess, das zum Einstieg führte. Der Preis: Als ich es bemerkte, war ich dann wiederum zu faul umzukehren und erklomm im Schuss eine nasse, steile, mit Löchern durchsetzte Wiese, wobei ich soviel Kraft verbrauchte (verschwendete!), dass ich bis auf den Gipfel ständig etwas litt – etwas, das ich nun gar nicht mag. Selbst die Powerrests funktionierten nicht mehr, da ich mir einen Grundstress eingehandelt hatte. Denn ich hatte danach auch noch den falschen Einstieg genommen und landete in harten Kletterrouten, statt im T5 Gelände. Was ich allerdings auch der missverständlichen Markierung anlaste. Aber alle andern scheinen dass problemlos zu finden …
Oder die Mythenüberschreitung, als ich schon den Einstieg zur Route (aufs Haggenspitzli) verpasste und statt des lockeren zweiten Grades eine halsbrecherische Seillänge im Nirgendwo hinlegte, die ich erst noch nicht absichern konnte.

Ganz ähnlich verlief meine Annäherung an die Lobhörner. Ich machte so lange an der Suche nach dem richtigen Einstieg rum, dass wir schliesslich schon nach dem ersten Horn aus Zeitgründen wieder abseilen mussten, und ich wie wild ins Tal rannte, um den Zug nach Zürich und dort die Primärgruppe zu erreichen. Immerhin weiss ich seit da, dass ich einen Abstieg wenn nötig in einem Viertel der veranschlagten Zeit bewältigen kann …

(Jetzt zögere ich, den Lenzuoligrat auf den Gridone am Mittwoch zu machen (immerhin T6, da weiss man nicht sicher, wie lange man braucht), weil ich dann abends wieder rechtzeitig in Zürich für … die Primärgruppe sein muss. Was soll ich machen? Am Dienstag kann ich nicht und ab Donnerstag ändert das Wetter etwas. Etwas, das dieser Grat gar nicht verträgt).

Der Nachteil dieser Missgeschicke? Sie sind ernüchternd unspektakulär. Lest also besser die erwähnte Schilderung der Gervasuttigeschichte – und zum Gegenabgleich meine erstaunlich gut passende, aber ganz anders verlaufende Erfahrung auf jenem Pfeiler hier (Auszug):

Gervasuttipfeiler

(Auszug Schluss der Besteigung):

Da wir von einer weit entfernten Hütte kamen, waren wir am Morgen unter den Letzten gewesen, die einstiegen (soll nochmal einer sagen, an einem Pfeiler gebe es keinen Steinschlag; ich kann den Schwefel jetzt noch riechen!). Ansonsten ging es aber, wie mit Häns zusammen üblich, zügig voran. Wir genossen die zum Teil wunderschönen Kletterstellen; hatten sogar Zeit, die technischen Seillängen frei zu versuchen, was Häns natürlich besser gelang wie mir. Oh Wunder, einige italienische Seilschaften liessen uns gar vor! Der Clou ereignete sich jedoch auf dem Pfeilerkopf. Offenbar hatte sich herumgesprochen, dass da unten ein Crack am Werk war (damit bin ganz bestimmt nicht ich gemeint!). jedenfalls geschah etwas, das ich noch nie erlebt hatte. Eine stattliche Zahl von Kletterern – etwa 15 an der Zahl – wartete auf dem flachen Stück und bildete eine Gasse, als wir ankamen. Ich gestehe, auch ich hätte keine Ahnung gehabt, wie es jetzt klug weitergeht. Doch Häns (der zugegebenermassen nicht das erste Mal hier war)  schritt ruhig durch die Gasse und plötzlich fanden wir uns an der Spitze des Feldes wieder! Doch, es half nichts. Wir hatten noch einen weiten Weg vor uns und konnten nicht auf die ganze Bande warten. Schon nach kurzer Zeit verschwanden diese aus unserem Blickfeld und wir konnten nur hoffen, dass  die Orientierung, die Häns vorgegeben hatte, reichte, um auch den andern einen einigermassen direkten Ausstieg aus der Sache zu ermöglichen (wie ich inzwischen in verschiedenen Tourenberichten nachlesen konnte, gelingt das eher selten auf Anhieb und führt zuweilen zu regelrechten kleineren Dramen und häufigen Biwacks). Auf jeden Fall warteten noch Abseilmanöver und ein Pendelquergang auf uns, bevor wir, einmal mehr in unseren Kletterballerinas von Stein zu Stein hüpfend, das Ausstiegscouloir geschafft und auf dem Felsgipfel des Tacul angekommen waren. Wo notabene Kristalle einfach so rumlagen. – Der ziemlich mühsame Abstieg über die Abbrüche des Taculgletschers – in Trekkingschuhen, mit Steigeisen, die immer wieder abfielen; die schweren Schuhe hatten wir am Einstieg gelassen – mündete schliesslich aber in ein einmaliges Erlebnis auf dem Col du Midi. Allein am Ende der Welt sitzend genossen wir den grandiosen Sonnenuntergang (während wir mit dem Feldstecher die letzten Kollonnen auf der Auguille du Midi ausmachten, die noch immer darauf warteten, mit der Bahn hinunterzukommen (letzte Bahn offiziell ca. um 17.30). Der Weg zum Materialdepot war nicht mehr weit. Ganz im Gegensatz zum Schlussanstieg gegen die italienische Hütte, die wir nachts gegen halb elf erreichten. Der Hüttenwart hatte uns freundlichweise noch etwas vom Nachtessen zurückbehalten. Wir nahmen uns in Ruhe Zeit. Für den morgen geplanten Grand Capucin mussten wir nicht so früh aufstehen. Zufrieden schliefen wir einem weiteren ereignisreichen Tag entgegen.

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