Von Negern und anderen Konsorten
Es wird Zeit, mich zu outen.
Soeben hat meine Frau einen wunderschönen Antwortbrief von Franz Hohler aus dem Jahr 1990 gefunden, getippt mit guter alter Schreibmaschine. Sie hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass, anders als im «Tschipo» beschrieben, Wale keine Fische seien.
Er antwortete, dass er halt sprachlich manchmal konservativ sei. Zudem frage sich, wer denn die Wale als Nicht-Fische bezeichne. Ja, wir Menschen! Wale selber würden sich bestimmt als Fische sehen; sie sehen aus wie Fische, riechen wie Fische, verhalten sich wie Fische (wie er selber als Kind in Olten (sic!) erleben durfte). Vielleicht stünde im Lexikon der Wale ja auch, dass der Mensch nicht zu den Affen gehöre, obwohl …
Damit kam er auf die Neger zu reden, die im Tschipo auch so heissen (was dann, wie er anmerkte, in der zweiten Auflage geändert wurde. Ein Kompromiss für den Markt).
Da komme nun ich ins Spiel. Ähnlich, wie Franz Hohler noch weiter ausgeführt hatte, habe auch ich keinerlei negative Assoziationen mit dem Wort Neger. Da ist nichts Entwertendes.
Und das Negerkind, das auf der Kasse nickte, wenn wir im Religionsunterricht zur Fastenzeit einen 20er durch den Schlitz schoben (wo der wohl hinging?), hatte auch nichts Geringschätzendes. Auch ich neige gern mein Haupt, wenn ich beschenkt werde. Künstler verneigen sich gar bis auf den heutigen Tag bis fast auf den Boden vor dem klatschenden Publikum. Da muss man dann schon gottgleich wie Karajan sein (wenigstens sah er sich so – und zahllose Fans zweifellos auch), damit die entsprechende Geste zu einem huldvollen Schritt vor den Vorhang gerät (ohne Senkung des Hauptes).
Zudem pflegten wir Jungs unserer Mutter angesichts des ungeliebten Haferbreis auf ihre Einwände, „die armen Neger in Afrika wären froh, sie hätten bloss die Hälfte davon“ mit solidarischer Attidüde zu antworten „wir auch!“ (Vielleicht bin ich deshalb ein Afrika- und Negerfreund geworden, s.u.).
Nachdem ich mich gestern als Afrikafreund – als etwas zwiespältigen, zugegeben – geoutet habe, folgt nun der nächste logische Schritt: Ich habe keinen persönlichen Grund, aus Negern Schwarze zu machen. Ich mag grundsätzlich beide. Und verabscheue deren leider zu häufig ruchlose Taten auch ohne Parteinahme für einen der Begriffe.
Und da ich bekanntlich ohnehin eine aufmüpfische, explizit nonkonformistische Ader mein Eigen nenne – ich gehöre auch zu jener Spezies, die bei rot über die Strasse geht, falls weder Auto, noch Polizist akute Gefahr bedeuten, und ohne zu blinken abzweige, wenn niemand des Zeichens bedarf; sogar im Kreisel! (Das hält mich zusätzlich geistig beweglich, da ich jedes mal entscheiden muss) – so rede ich vor allem im privaten Bereich weiterhin von Negern, der Provokation bewusst. Im erweiterten Kreis der Öffentlichkeit würde ich damit allerdings Gefahr laufen, nicht verstanden zu werden. Nur die Kinder, die «Tschipo», Auflage 1 gelesen haben – sie sind heute so zwischen 25 und 50 Jahre alt –, garantieren noch, dass sie mich verstehen.
[…] wie Franz Hohler uns mal schrieb: “Es fragt sich, wer denn die Wale als Nicht-Fische bezeichnet. Eben, wir Menschen! Wale […]
2bd Blog | Bernhard Brändli-Dietwyler » Wissenschaft – liebenswerter Nonsens am 19. Mai 2011 um 7:57 Uhr