Cinque Terre – Ein Reisebericht Teil II
Das Wandern ist des Mister Millers Lust
CINQUE TERRE – ein Reisebericht Teil II
Hätten wir, mitten in der Schlange stehend, gewusst, dass wir am nächsten Morgen zweieinhalb Stunden lang keinem einzigen Menschen begegnen würden, als es, bereits ausserhalb der eigentlichen «Cinque Terre» und folglich ohne einen Obolus zu entrichten, nach Porto Venere ging, wir hätten den gestrigen Nachmittag als Klacks abgetan. Dabei war dieses Wegstück (Riomaggiore – Telegrafo) das landschaftlich vielleicht schönste; an Dramatik kaum zu überbieten. Glücklich befreit, wie wir waren, versuchten wir jedoch keine Sekunde, das Rätsel des krass unterschiedlichen Touristenaufkommens zu lösen und entliessen die amerikanischen Kreuzfahrer, mit überschwänglichem Dank versehen, wieder auf ihre Schiffe oder wer weiss wohin.
Bleibt nachzutragen, dass uns der Chef des Restaurant «Lanterna» – Marke «tipico Italiano» – am Abend zuvor ganz erfreulich bewirtet hatte. Vor allem, nachdem wir ihn gebeten hatten, aus den lokalen (und frisch gefangenen!) Gerichten das Beste aufzutragen. Dazu servierte er uns den besten lokalen Wein (auch hier zuverlässig, wie wir später in den diversen Enotecas feststellen konnten), wenn auch leider zu jung (was feststellen zu können wiederum ein Qualitätszeichen ist). Aber die Produktion ist zu klein, der Konsum zu gross, als dass die Weine ein Jahr überdauern würden. Schade für die doch erstaunlichen Spitzengewächse der Region (weiss und rot!), produziert von «Forlini e Cappellini» und «Baruncan» – «Batté» war leider nicht erhältlich –, die so ihr Potenzial nur andeuten konnten.
Zurück zum eigentlichen Sinn der Reise. Der zweite Abschnitt dieser Etappe, ab Telegrafo, verläuft nach Erreichen des Passes und damit der Anhöhe ruhig und angenehm im Wald. Er ist aber nur für Familien wirklich spannend, wegen des recht speziellen «Vitaparcours», der ihn ziemlich lang säumt.
Bereits vor dem Zwischenhalt in Campiglia (zwei Restaurants, kulinarisch reicht“s gerade als Zwischenverpflegung) wird es jedoch wieder faszinierend, ja allmählich sogar spektakulär. Von Campiglia aus sieht man auf beiden Seiten aufs Meer – links Stadt, Hafen und Golf von la Spezia, rechts die Steilküste Richtung Porto Venere.
Der Abstieg auf das reich befestigte, einmalig gelegene Porto Venere ist dann geradezu atemberaubend – und «alpinistisch» das anspruchsvollste Wegstück der ganzen «Cinque Terre» (obwohl wir uns bereits ausserhalb befinden, spreche ich gleichwohl von «Cinque Terre», weil es einfach zum Thema «Cinque Terre» gehört). Entsprechend ist hier schweizerdeutsch klar Amtssprache.
Wir bleiben zwar beim Thema «Kultur in wilder Natur», aber, trotz der mittelalterlich geschlossenen und einzigartigen Stadtanlage ist Porto Venere eher Klein-Portofino als«Cinque Terre». Nachdem in den «Cinque Terre», neben allgemein ziemlich teuren Unterkünften, das Essen deutlich günstiger ist als etwa in der Schweiz, findet sich in Porto Venere das einzige uns bekannte Lokal im Gebiet, wo man ob der Preise bloss den Kopf schütteln kann. Da im Sommer dort eine erhebliche Anzahl grosser Yachten Station macht, ist eine Schicki-micki-Bude wie das «le Socche» jedoch eine durchaus passende Erscheinung. Ist ja freiwillig. Das hübsche «Tre Torri», direkt beim sehr speziellen «Albergo Genio» (war leider ausgebucht), entschädigte uns leidlich.
Am folgenden Morgen entschliessen wir uns für die Rückkehr per Schiff nach Monterosso. So können wir die ganze Wanderstrecke gemütlich aus der entgegengesetzten Perspektive betrachten. Als wir vor ein paar Tagen in den Cinque Terre angekommen waren, hatten wir beim abendlichen Spaziergang zwei sehr hübsche kleine Hotels entdeckt, von denen das eine für die geplante Rückkehr noch ein Zimmer frei hatte. So heisst es nach der Ankunft im Hafen einchecken im sehr schmucken «Colonnina», mitten in der Altstadt. Und bald schon beschauliches sich Niederlassen auf der lauschigen Terrasse, die zu unserem Zimmer gehört – rundum gesäumt von Reben – und unter dem «privaten» Feigenbaum die Ruhe geniessen: Das verdient den Namen Paradies! Ein Betrieb, von Frauen geführt; jedes Detail gepflegt; eine Oase, ein Juwel. Anruf an die Rezeption: «Was ist der beste Weg, um an zwei Campari-Orange zu kommen?» Antwort: «Wenn Sie die Rezeption anrufen.» Und wer es sonnig mag, findet bequeme Liegestühle auf der spektakulären Dachterrasse, mit Blick über das Meer und die Altstadt von Monterosso.
Und dann, als Tüpfelchen auf dem «i», zum Abschluss das kulinarische Highlight.
Völlig überraschend – und noch in keinem Reiseführer zu finden – erklärt uns die Signora, das beste Lokal in Town sei nicht jenes, wo wir diesmal vorausschauend (sic!) reserviert hatten, sondern «La Tortuga» (die Schildkröte, nach einem kleinen Kriegsbunker gleich nebenan). Also das eine abbestellen und uns beim andern bemerkbar machen. Selbstredend war das Lokal ausgebucht. Freundliches Insistieren lohnte sich einmal mehr: «Wenn Sie etwas früher kommen …» (damit’s für einen zweiten Service um 21 Uhr reicht). Das hatte überdies den nicht zu verachtenden Vorteil, dass wir tatsächlich die ersten Gäste waren und uns den schönsten Tisch aussuchen konnten.
Das Lokal liegt ganz allein, direkt über der Brandung. Die Tische «fuori» (draussen) – elegante Möbel und ebenso gedeckt – stehen verstreut auf den umliegenden Plätzchen. Nichts begrenzt den Blick aufs Meer und den Monte Rosso, auf den Sandstrand und das Städtchen in etwas Entfernung, und später auf den Sonnenuntergang über der ganzen Szenerie. Dazu das Essen und die Weine, vom Feinsten, was dieser Abschnitt der ligurischen Küste zu bieten hat.
Ach, herje! Vorbei das Glück. Am nächsten Morgen heisst das Programm «Heimfahrt«. Und das bedeutet, uns einem italienischen Expresszug anzuvertrauen. Die Affiche ist grossartig: Ab Monterosso direkt nach Zürich! Aber dann folgen zuverlässig selbst die internationalen Wagen in grauenhaftem Zustand. Die Misere geisterte mittlerweile auch durch die Medien. Da wird zweifellos keine Stunde an Unterhaltsarbeit verschwendet. Und die Züge in Italien pflegen so was von voll zu sein. Da gibt’s kein Ausweichen, wenn zB ein grässliches Pfeifen in den Ohren dröhnt. Ausser man taktiert als gewiefte Reisende ganz tüchtig …
Wir kamen irgendwie, irgendwann in Zürich an, verspätet natürlich – italienisch eben. Es war dann ein schweizer Zug, der uns bequem, wie gewohnt, nach Frauenfeld brachte.
Insgesamt sind wir zwei Tage gereist und waren drei Tage in den «Cinque Terre» unterwegs. „Wie wenn wir zwei Wochen weg gewesen wären,“ sagte meine Frau, als wir wieder auf unserer eigenen Terrasse sassen. „Ja, und du bist Schuld an diesem Kurzschluss – danke, Elsbeth!“
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2bd Blog | Bernhard Brändli-Dietwyler » Cinque Terre – Ein Reisebericht Teil I am 17. Juni 2011 um 14:17 Uhr