Herrliche Rundtour im T4 Bereich
Allmählich neigt sich die Hitzephase dem Ende zu und Touren, wie die unten beschriebene, rücken wieder in den Vordergrund. Gutes Gelingen!
Um eine ungemein schöne, abwechslungsvolle und aussichtsreiche Tour handelt es sich bei der Riemenstalder Rundtour (Karte 1172 Muotathal / 246 Klausen). Eigentlich ist es keine Rundtour; dafür müsste man im Osten, beim Rophaien, beginnen, den hintersten Talgrund überschreiten und dann noch den nördlichen Grat vom Hengst bis zum Fronalpstock überschreiten. Doch das erforderte eine ganz andere Kondition und wäre wohl nur in einem Tag zu machen, wenn man auch noch die Nacht durchwanderte … Wir jedenfalls begnügten uns mit der kleinen Ausgabe und verbrachten auch so einige schöne Stunden im idyllischen Riemenstalder Tal.
Heute hatte Elsbeth freie Wahl. Es versprach heiss zu werden; also musste der Gipfel eine gewisse Höhe haben, die Tour jedoch eintägig sein. Sie wählte den Chaiserstock 2515 m – eine relative kurze Tour und doch im obersten Bereich recht knackig, mit leichter Kletterei. Wie stets informierte ich mich am Tag vorher, beim Bereitstellen der Informationen (Karte, Führer, Beschreibungen), noch näher über das Gebiet und dessen Möglichkeiten. Und, kaum verwunderlich, stiess ich dabei auf die Rundtour, die wahlweise im Osten oder im Westen beginnt, und drei Gipfel einschliesst, inklusive den Chaiserstock. Elsbeth war sofort dabei und so war das ganz okay, dass pro Tag nur zwei Postauto-Kurse ins Riemenstaldental und wieder hinaus fahren – nämlich einer frühmorgens und einer am Nachmittag. Also, um fünf Uhr aufstehen und per Bahn und Bus und Bähnchen mit x-mal umsteigen bis zur Lidernenhütte, dem Ausgangspunkt fahren.
Abgesehen von der erwähnten ebenfalls schönen und deutlich leichteren nördlichen Grattour vom Fronalpstock (Bahn) bis zum Hengst sowie von anspruchvoller Kletterei am Schmalstöckli kannte ich dieses in Sisikon am Vierwaldstättersee beginnende Seitental bisher vor allem vom Winter. Es ist mit der leicht erreichbaren Lidernenhütte (offenes Seilbähnchen, 4 Plätze, von Chäppeliberg ca. 500 m hinauf, bis neben die Hütte) ein kleines Skitourenmekka. Vor allem der Blüemberg wird oft besucht; eine schöne, rassige Skitour, mit einer interessanten Abfahrtsvariante direttissima. Eine tolle Variante bietet übrigens auch der winterliche Zustieg zur Hütte. Wir überschritten einmal mit Ski besagten Grat vom Fronalp-, bzw. Klingenstock (mit Skilift erreichbar; Stoossgebiet), bis oberhalb von Chäppeliberg. Dort bietet ein zu Beginn recht steiles Couloir Abfahrtsfreuden und leitet direkt zur Talstation der Bahn. Nicht besonders schwierig; bloss die Idee brauchts dazu. Entsprechend der Kommentar eines uns beobachtenden Älplers, der den Hut zurückschob und sich am Kopf kratzte: „Aso do häni etz no niemer gseh abefahre.“
Wir hatten beschlossen, im Osten mit dem Chaiserstock zu beginnen. Falls wir zeitlich nicht «rum mögen», wären wir wenigstens auf dem ursprünglich geplanten Gipfel gewesen. Und diese Entscheidung war doppelt gut. Erstens brachten wir die ganze Frische in die anspruchsvollste Tour mit; von da nehmen die Schwierigkeiten sukzessive ab. Zweitens beschlossen wir unterwegs, das ganze mit der Überschreitung des Gebietes zu verbinden, also auf die andere Seite, in mein geliebtes Schächental abzusteigen. Und dieser Abstieg beginnt im Westen, zwischen den beiden letzten Gipfeln. Wer wieder nach Chäppeliberg absteigt, sollte unbedingt am Morgen beim Postautochauffeur für den Nachmittag reservieren (nur 14 Plätze!).
Die Lidernenhütte hält stets Verpflegung und Tranksame bereit und lädt auch zum Übernachten ein.
Ab da steigt der Weg durch wunderbares Alpgebiet an, durch hügeliges Gelände, vorbei an kleinen Seelein, stets angenehm zu gehen.
Chaiserstock
Von oben grüssen die mächtigen Gipfel, die näher sind als sie erscheinen. Es geht stets der Sonne entgegen, doch ein angenehmer Föhnwind vertreibt die Hitze. – Wer zügig steigt, erreicht schon bald den auf der Karte «Loch» genannten Boden, der zur gemütlichen Rast, inklusive Powerrest einlädt. Stille rundum und die erhabene Landschaft bewegen das Gemüt. Der Blick zurück ist betörend: Hinaus zum Vierwaldstättersee und ins Mittelland, im Vordergrund eingefasst von mächtigen, wilden Gipfeln.
Ab da gehts eine Rampe hoch und dann nach links (nördlich), ein riesiges Geröllfeld querend, zum Chaisertor, der ersten Schlüsselstelle, die den Zugang zum wild aufragenden Chaiserstock vermittelt.
Überraschend einfach ist sie in fünf Minuten überwunden und wir stehen am Grat, der zum Gipfel leitet. Den ersten Aufschwung links umgehend gelangen wir bald direkt auf den Grat und folgen diesem in leichter Kletterei (I-II) bis kurz vor den Gipfel. Fast der ganze Grat ist mit einem dicken Drahtseil versichert; zum Schluss erleichtert sogar eine massive Eisenkette einen steilen Aufschwung.
Für Geübte ist es Ehrensache, dass sie das Ganze ohne Benützung des Geländers bewältigen (T5); eine schmale Gratstelle, die stehend balancierend überwunden wird, ist besonders reizvoll!
Zum Schluss führt der Weg in Serpentinen direkt auf den Gipfel, der die Mühen mit einer überwältigenden Rundsicht belohnt (Es lohnt sich, die Tour für einen schönen Tag zu planen; zB im Spätsommer, wenn die Luft klar ist und noch kein Schnee liegt). Die Rast, mit Timeout, fällt eher kurz aus; wir haben ja noch einiges vor. In direkter Nachbarschaft locken der Fulen und der Rossstock.
Fulen
Also das Ganze zurück, bis, wieder am Ende des beschriebenen Geröllfeldes angelangt, der Weg nun horizontal weiterführt, Richtung Lidernen Plänggeli, ein Übergang, der auf der Südseite alles andere als einladend aussieht und wohl kaum als solcher benutzt wird.
Ab da stehen zwei Varianten zur Verfügung. Abenteuerlustige folgen, vorerst pfadlos, direkt dem zuerst leicht ansteigenden Grat Richtung Fulen und finden später, nach Erreichen des Geröllfeldes, eine gute Pfadspur durch dieses hindurch. Ab da orientiert man sich am Gipfel, findet Steinmänner, die helfen. – Die zweite Variante umrundet unten den Berg und mündet auf die Rossstocklücke. Von da führt ein blau markierter Pfad in erstaunlich kurzer Zeit (25 Minuten sind angegeben) und ebenso erstaunlich wenig anspruchsvoll hinauf auf den mächtigen, unnahbar scheinenden Fulen.
Die prächtige Aussicht geht diesmal auch hinunter ins Reusstal, nach Erstfeld, sowie zu neuen Gipfeln, die das scheinbar unendliche Meer noch vergrössern. Im Verbund mit der auf diesem wenig besuchten Gipfel zu erwartenden Einsamkeit wird das Glück vollständig.
Rossstock
Zurück in der Lücke kann man den Rucksack zurücklassen und leicht und frei den nun einfachen Weg zum ebenfalls mächtig aufscheinenden Rossstock gehen. Angegeben sind, wiederum überraschend, bloss 30 Minuten; zügige GeherInnen schaffen das sogar in 20 und ruhen umso länger auf dem Gipfel. Etwa in der Mitte fordert eine steile Rinne nochmals etwas Mut und Zupacken. Sie ist – etwas anspruchsvoller, jedoch weit eleganter und garantiert trocken – auch an der rechten Flanke zu besteigen (T5). Schon steht man auf dem sanft ansteigenden Rücken, der schliesslich im Gipfel – eben: gipfelt. Nochmals neue Perspektiven, inklusive der Blick zurück auf die eben gemeisterten Hindernisse und deren eindrückliche Südabstürze. Man wähnt sich in diesem wilden Kalkparadies zwischendurch in den Dolomiten, nur weniger erodiert, noch ursprünglicher.
Abstieg ins Schächental
Zurück in der Rossstocklücke den Rucksack aufnehmen und sich vom blauen Wegweiser – das ganze Gebiet ist neuerdings blau markiert – in die steil anzusehende Südrinne leiten lassen.
Bald schon steht man inmitten eines dieser mächtigen Geröllfelder und geht, oder rutscht zum Teil, je nach Geschmack und Mut, hinunter.
Prächtige Ausblicke voraus, zur nahen Schächentaler Windgälle (eine ebenfalls grossartige, etwas anspruchsvollere Tour (T5); Beschreibung folgt vielleicht einmal), zur Grossen Windgälle auf der gegenüber liegenden Talseite und ins Claridengebiet (eines «meiner» Skitourengebiete) sowie der Blick zurück auf die fantastische senkrechte Kulisse der Berge, die man eben verlassen hat, laden immer wieder zum Innehalten ein. Und dann kurz die Augen schliessen und die Atmosphäre aufnehmen, sich berühren, bewegen lassen.
Der Blick hinunter geht auf zahlreiche wunderbare Alpwiesen und es gilt sich zu entscheiden, zu welcher Bergstation von welcher Bahn man weiter wandern will. Wir wählen den kürzesten Weg nach Biel und nehmen dafür etwas mehr Höhenmeter Abstieg in Kauf. – Bald geht es an der Seite einer vorgelagerten Kalkbastion entlang wieder kurz steil hinunter, bis man endgültig im Wiesengelände, bzw, auf mit Kies befestigten Wegen angelangt ist. Bald nach Erreichen der ersten Alphütten finden wir die Bergstation des kleinen Bähnchens, das uns bequem und gemütlich in zwei Sektionen hinunter ins Schächental, nach Witerschwanden trägt.
Die Schweiz, das Land der Bahnen und Bähnchen! Nach sieben Stunden unterwegs-sein sind wir ganz froh um diesen Service. – Direkt von der Talstation führt das Postauto, das vom Klausenpass kommt – für mich eine der eindrücklichsten Passfahrten, va auf der urner Seite – hinunter nach Altdorf, ins historische Herz der Schweiz, und von da, wer will, zur Bahnstation Flüelen.
Damit endet ein wunderbarer, ereignisreicher Tag in einer grossartigen, abwechslungsreichen, zugleich wilden und sanften Gegend.
Wir kehren garantiert zurück; da gibt es noch so manche lockenden Berge, Routen und Ausblicke!