Der PrimärProzess (PP) als Bergtour
von 2b am 21. Oktober 2012
- Phase eins: Du kaufst dir ein Buch von 2bd, oder meldest dich für ein Gespräch an. Alles ganz einfach. Wie die Fahrt von Zermatt zum Rothorn; du bezahlst und wirst bequem auf gut 3000 Meter befördert. Doch, bereits etwas dünn die Luft; schon etwas anders, als bei einem gewöhnlichen Coaching oder einer Therapie.
- Phase2: Ab jetzt machst in erster Linie du die Arbeit. Der Weg ist vorerst einfach; nichts, dass dich ernsthaft fordert. Begleitet wirst du von einer mit jedem Schritt in die Höhe wachsenden grandiosen Aussicht. 2bd schildert die grossartigen Perspektiven, die deiner warten, mit leuchtenden Farben. Alles ist wunderbar. Glück erfüllt dich. „Ich bin am richtigen Ort!“ Wie beim einzigartigen Ausblick nach dem Erreichen des Oberrothorns (3414m). Über 30 Viertausender präsentieren sich im 360° Panorama in voller Schönheit. Einzigartig.
- Phase3: Du steigst auf dem Wanderweg ein Stück weit ab. 2bd verlangt gewisse Vorbereitungen. Dein PP wird organisiert. Das verleiht dir Sicherheit und Zuversicht.
- Phase4: Nun gehts zum Einstieg, Richtung Fluehorn. Es geht los. Die Spannung steigt. „Was wird als erstes aufsteigen? Wie wird das sein? Wie werde ich reagieren?“ Nicht ganz einfach die Orientierung. Wo ist der richtige Einstieg? Das Gelände wird steil und unübersichtlich.
- Phase5: Erster Versuch. Er führt an Abgründe. Keine Spuren. Angst. „Geht es tatsächlich hier durch?“ Die erste, typisch harte Begegnung mit dem PP. Du erschrickst über dich selber.
- Phase6: Du weichst zurück. „Will ich das wirklich? Kann ich das? Kommt das gut heraus?“ „Jetzt kann ich noch umkehren; zurück auf den sicheren Wanderweg. Ich sehe die andern Menschen noch. Hier bin ich fast ganz allein auf mich gestellt.“
- Phase7: „Ich geh einfach mal Schritt für Schritt und entscheide vorzu.“ Du entdeckst einen Durchgang, der in die Flanke des Fluehorns führt. Allerdings ist es hier steil und rutschig; heikel. Du darfst keinen Fehler machen. Die erste Schlüsselstelle. Der Einstieg in den PP entscheidet über die Richtung. Gelingt er nicht, bedeutet das viel Aufwand durch Irrungen und Wirrungen. Gelingt er, so öffnet sich dir unverhofft der Weiterweg. Du bist erleichtert und spürst, dass du Fahrt aufnimmst.
- Phase8: Mal leichter, mal anspruchsvoll windet sich dein schmaler Weg der Wand entlang. Auf der einen Seite stets der Abgrund – die Flanke, die zum Findelngletscher abfällt. Ab und zu Begehungsspuren von (andern) Tieren. Die erste Hürde genommen, bist du bald schon mitten im Prozess. Du beginnst zunehmend deiner Erfahrung und deinem Können zu trauen. Du überwindest erfolgreich Gefahrenstellen. Ängste. Deine Zuversicht wächst. Doch die Gefahr bleibt präsent. Du wirst gefordert. Erfahrungen von Mitlernenden helfen dir über Krisen hinweg.
- Phase9: Weglos gehts quer aufwärts zum Grat, der nach einer Senke in schöner, etwas ausgesetzter Kletterei zum Gipfel führt. Je länger du im Prozess bist, desto mehr liegt es an dir, den richtigen Weg zu finden; jenen, der dich immer wieder zu Gipfeln führt. Und zwar möglichst direkt, ohne lange, anstrengende Umwege, die gar das Erreichen des Ziels in Frage stellen können. Aus Orientierungsfehlern lernst du. Mit der Erfahrung steigt deine Kompetenz.
- Phase10: Zäsuren. Ruhepunkte. Immer wieder bleibst du stehen, atmest durch, lässt die Aufregung zur Ruhe kommen, schaust dich um und stellst bei aller Herausforderung fest, welches Privileg du geniesst, dich in dieser grossartigen Landschaft bewegen zu dürfen und das Unbekannte direkt vor dir zu entdecken. Es ist einfach wunderbar! Auf dem Gipfel des Fluehorns dominiert die Nahsicht. Der weitere Verlauf des gezackten Grates; dahinter Strahlhorn, Adlerhorn und Rimpfischhorn, die sich auftürmen; tief der mächtige Einschnitt links hinunter zur Täschalp; und schliesslich rechts die riesige Gletscherarena, die vom unvergleichlichen Monterosa Massiv überragt wird. Die Entdeckung deiner Selbst, das Erfahren von mächtigen Lösungen, die deine ganze Struktur bewegen, ist einmalig. Wo auch immer du deine Aufmerksamkeit hinlenkst, entdeckst du Unvermutetes, oder Bekanntes in neuem Licht, aus neuer Perspektive.
- Phase11: Stellvertretend für viele Abstiege in die tiefsten Tiefen deines Selbst steht der lange, anstrengende Abstieg über grosses Geröll vom Fluehorn zur Fluealp. Manchmal beängstigend steil, machmal unübersichtlich, stets deine ganze Aufmerksamkeit fordernd. Jedoch gut machbar. Und vor dir stets das eindrückliche graue Band des schuttbedeckten Findelngletscher vor Augen und dahinter das Monterosa Massiv, das mit jedem Schritt hinunter mächtiger erscheint. So, wie dir manchmal im PP der Mut ausgeht und die Zuversicht sich verliert, wenn du in die ungeheure Macht deiner eigenen Schatten eintauchst, die immer grösser und unüberwindlicher erscheinen, je tiefer du gelangst.
- Phase12: Mit jedem Meter steigen die Chancen, dass die Tour gelingt. Dann münden deine Schritte auf einen schmalen, aber leichten Pfad. Müde und tief erfüllt siehst du von Ferne schliesslich die einladende Silhouette des schönen Gasthauses der Fluealp. Hier übernachten? Oder nochmals 40 Minuten weiter, bis zum Blauherd, wo dich die letzte Bahn wieder bequem hinunter führt nach Zermatt. Der Boden in dir, der mit jedem Entwicklungsschritt fester, solider wird, lässt dich sicherer, strahlender und schliesslich angstfrei werden. Ungeahnte Kräfte haben sich in dir gelöst und beflügeln dein Leben. Befruchten deine Beziehungen und dein Handeln auf kraftvolle und wunderbare Weise. Der Prozess geht weiter; doch macht deine Erfahrung dich zunehmend souveräner. Hindernisse nimmst du mit einer gewissen Leichtigkeit, auch wenn sie zuerst gross und schwierig erscheinen.
- Phase13: Niemand weiss, wann der Prozess zu ende ist. Wann du aufbrichst zu deiner letzten Tour. Doch ist das wichtig? Lass die Kontrolle über dein Leben los. Lass dich gehen. Es ist nicht das Ziel, das dich beglückt und erfüllt. Es ist die Erfahrung des Unterwegs-Seins, das Erforschen und Entdecken des Unbekannten und das Lernen von der Natur und von dir selbst.
- Phase14: Und es ist das Teilen mit Gleichgesinnten, ebenso wie mit vertrauten, aber diesbezüglich unerfahrenen Freunden sowie mit neuen Gesichtern, die fasziniert den Schilderungen deiner Abenteuer lauschen.
Lieber Bernhard
Ruth am 22. Oktober 2012 um 5:27 Uhrherzlichen Dank für die Bilder und die Schilderung dazu. Es ist gut und schön, so auf den PP zu schauen.Ruth
Grossartig!
Ursula am 22. Oktober 2012 um 13:44 UhrIm Nebel sitzend werde ich etwas neidisch…
wir waren gestern unterwegs zum hohgant – erst mal nur staunen und fühlen – dein intensiver bericht hat mich ins vertrauen meiner wahrnehmung bestärkt. danke! melchior
melchior am 22. Oktober 2012 um 14:16 Uhr