Treu auf ewig
Na ja …
… hier geht es um eine überraschende Entwicklung meiner Beziehung zur Musik.
Obwohl mein aktives musikalisches Interesse in der Pubertät mit den Beatles, also Pop, begann und dann nahtlos in alle Arten von Rock überging, hatte ich stets – und durchaus paradoxerweise – auch ein intimes Verhältnis zur sg ‘Klassischen Musik’. Meine Mutter nahm mich zB als Kind in die Zürcher Tonhalle mit, als Maria Callas dort eines ihrer letzten Opernrezitals gab. Ich bin ihr ewig dankbar dafür. Auch am damals noch jungen Fernsehen schauten wir zuhause regelmässig klassische Aufführungen, besonders Operetten (unvergesslich: Bilder und Musik des ‘Bettelstudenten’). So wurde die entsprechende Affinität in mir nachhaltig geweckt.
Auch in den rebellischen Jugendjahren agierte ich stets in beiden Welten. Als aktiver Hippie, der die Schule mal ungefragt kurz verliess, um ans Isle of Wight (Rock) Festival zu pilgern (siehe auch «HOMO CAPUT»), trat ich mit 19 in die Zürcher Bachkantorei unter der Leitung von Helmuth Reichel ein. Heli war mein Klavierlehrer am Lehrerseminar. Dort entwickelten sich auch zahlreiche Freundschaften mit Musikern und Musikfreunden.
Fast ein bisschen schizophren das Ganze. Doch für mich mental kein Problem. So wie ich überall Rockkonzerte besuchte, war ich aktiv in der klassischen Musik tätig; pilgerte unter anderem jedes Jahr nach Salzburg an die Pfingstfestspiele unter Karajan. Das erste Mal schliefen wir dort in unserem bunt bemalten Deuxcheveaux Kastenwagen und zogen für Konzert und Oper sie (Elsbeth) schönste lange Kleider und ich einen modernen (Pop-)Frack mit Rüschenhemd an. Prompt erschienen wir in diesem Aufzug danach auf der Titelseite eine regionalen Mediums. Auch Wien, Mailand, Verona, London gehörten zu den regelmässig frequentierten Destinationen und vermittelten mir/uns zahlreiche unvergessliche Erlebnisse. Selbstredend besassen wir auch in Zürich die entsprechenden Oper- und Tonhalle Abonnements.
Während die fantastische Musikwelle im Zuge der 68er langsam verging, hörte ich weiter intensiv jene Musik, besuchte Festivals und Konzerte. Parallel jedoch blieb ich auch im klassischen Bereich aktiv, öffnete mich auch der sg ‘Neuen Musik’; wurde gar Mitglied der Gesellschaft für neue Musik in Zürich, wo wir uns regelmässig im berühmten Pavillon Le Corbusier in Seenähe trafen. Die Kulmination sollte diese Seite von mir schliesslich in meiner Entscheidung finden, an der Universität als erstes Nebenfach neben Psychologie die Musikwisssenschaft zu wählen. Leider, oder wie auch immer, ohne fortgesetzte Instrumental- (Violine, Klavier) und Gesangspraxis meinerseits.
Allmählich, fast unbemerkt, wandelte sich über die Jahrzehnte meine musikalische (Hör-)Praxis dann doch und ist heute an einem für mich sehr überraschenden Standort angelangt; weswegen ich eben diesen Artikel «ewig treu» schreibe.
Na ja, der Rock ging mehr und mehr in die Geschichte ein. Es gab Ende des letzten Jahrhunderts und noch stärker in diesem nicht mehr so viele Bands jenes Genres, die mir wirklich gut gefielen, inklusive die weiter entwickelten Musikstile. Einer unserer Söhne versuchte sich als talentierter Schlagzeuger in verschiedenen Extremhardrock Bands. Natürlich besuchte ich begeistert deren Konzerte. Mein entsprechendes Engagement ging jedoch kaum über seinen Rückzug aus seiner Drummerkarriere hinaus. – Nach einer längeren Latenzphase auch im klassischen Genre reaktivierte ich mein (Hör-)Engagement in den letzten vielleicht zehn Jahren wieder. Sowohl zuhause als auch mit dem Besuch von Oper und Konzert. – Doch da ergab sich bezüglich meines Geschmacks eine für mich sehr überraschende Entwicklung. Immer mehr neigt sich meine musikalische Zu-Neigung der Stilphase zwischen Spätbarock, über Klassik bis Spätromantik zu. Grund? Wer weiss. Doch, eine Vermutung habe ich schon.
Mit der aktiven Nutzung des MEGATOOLS, also von AB-PP, verabschiedete ich mich immer mehr vom Homo caput. Musikhören geriet mehr und mehr zu einem emotionalen Ereignis. Während der ‘klassische’ Rock aus den 60er und 70er Jahren diese Bedingung – die ich damals natürlich kaum bewusst stellte – durchaus zu erfüllen vermochte, kommen sowohl ‘alte Musik’ als auch ‘moderne Klassik’ ganz schön kopforientiert daher. Bereits Puccini bewegt sich für mich im Grenzbereich, Richard Strauss ohnehin. Mahler – mein grösster Schwarm der jungen Jahre – bleibt grad noch innerhalb. Heute bin ich fast überrascht, wie unvoreingenommen, ja, selbstverständlich ich mich der modernen Klassik öffnete, sie anscheinend, wie auch immer, genoss und auch viel Geld für entsprechende Aufführungen ausgab. – Heute ist es für mich schon fast Bedingung, auf jeden Fall ein regelmässig stattfindendes wunderschönes Ereignis, wenn ich im Konzerthaus oder in der Oper sitze und mir bereits bei den ersten Klängen die Tränen übers Gesicht rinnen. Selbstverständlich findet das auch täglich zuhause statt, wenn ich gegen Abend, meist als Koch- und Essbegleitung meine nach wie vor tolle Stereoanlage einstelle und entsprechende Werke aufsetze.
So erscheint mir denn diese Entwicklung nicht konservativ – im Unterschied zum dort jeweils anzutreffenden Publikum –, sondern im ursprünglichen, von mir einst definierten Sinn ganz NORMAL. Ich bleibe also der ‘klassischen’ Klassischen Musik, vor allem der Romantik – und da insbesondere der Oper und Operette – , auf ewig treu, wies scheint. Verdi, Donizetti, Bellini, Rossini, Tschaikovsky, … (plus, etwas weniger dringend, Mozart, Beethoven, Schubert, Johann Strauss, …), sie mögen ewig leben! Na ja …
Wie sagte doch mein Lieblingszitate-Spender, Albi Einstein: ‘Man kann nicht an der Menschheit verzweifeln, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Mozart ein Mensch war.‘
genau dasselbe kann ich über wein und genuss generell sagen.
2b am 26. Dezember 2019 um 15:06 Uhrfortsetzung folgt.