Minarette hin oder doch eher her?
(Leicht aufgemotzt, 2.12.)
Also, ich finde die ganze Minarettgeschichte spannend.
Ich meine, das Für-und-Wider ist ja irgendwie lächerlich. Diese paar Türme.
So wie ich die ländliche Bevölkerung kenne, ist die Ablehnung aber logisch. Ja, auch ich möchte nicht in jedem Dorf ein Minarett sehen. Die Kirchtürme reichen mir vorig. Aber genauso stellen sich die Leute das vor: Überall stehen plötzlich Minarette. Und unsere Kultur wird allmählich aber sicher islamisch (wie noch gar nicht weit zurück wir selber das schön selbstgerecht mit andern Kulturen machten …).
Zu sagen, dass das unsinnig sei, hat nicht gereicht. Und wer will das den SVP-Propaganda geprägten ländlichen Gemütern verargen? Die Bilder sitzen. Und die täglichen Nachrichten sind beileibe nicht dazu geeignet, sie abzuschwächen. Es ist ja typisch, dass auch so genannte gemässigte islamische Kreise (vornehmlich in den Herkunftsländern) längst versuchen, den „leider zu befürchtenden Hass der Islamisten“ zu benutzen, um andere zu erpressen. Die allgegenwärtige Gewaltbereitschaft von Muslimen, die auf den geringsten Widerstand mit hasserfüllten Tiraden und mehr reagieren, sind zum abstrakten internationalen politischen Druckmittel avanciert. Und schon wieder muss ich gestehen: Auch da regt sich in mir Verständnis für pauschale Abwehrreaktionen eher einfach gestrickter und/oder generell angsterfüllter Menschen. Vielleicht nicht klug, aber nachvollziehbar.
Mir nun aber vorzustellen, auch nur ein einziger scheppernder Lautsprecher in meiner Nähe würde dieses für meine empfindlichen Ohren grässliche Geplärre des Muezzins mehrmals am Tag durch die Gegend schallen lassen – zu Stadt oder zu Land, das ist mir egal – damit ist dann definitiv eine Grenze erreicht (Live geht ja noch; das weckt ganz neutrale Bilder von Wüste, weissen Städten und Hitze). Dagegen sind RaucherInnen, die mich da und dort mit ihrem penetranten Gestank erfreuen, mit ihrem vergleichsweise beschränkten Wirkungsgrad schon fast schützenswert. – Diese unauslöschliche Erinnerung an eine ansonsten stille, beschauliche 10-tägige Nilfahrt reicht mir und hat mein inneres Bild der islamischen Kultur ganz unreflektiert, aber trotzdem auf Dauer geprägt. Und auch ich gestehe: nicht unbedingt zu deren Vorteil (und wenn es dann nur das gewesen wäre). Mit unseren Kirchenglocken mag das ganz ähnlich sein. Nur – auch da gestehe ich unumwunden: daran habe ich mich gewöhnt. Und schliesslich doch lieber eine Glocke, als ein scheppernder Lautsprecher; lieber ein mahnender, aber wenigstens abstrakter Klang, als Worte, die mich konkret und fordernd mehrmals täglich zwingen wollen, mich selbst zu belügen. Trotzdem: Ich würde keinesfalls auf die Barrikaden steigen, wenn das Geläute ganz im laizistischen Sinn abgeschafft würde. Ich bin dankbar für jedes Stückchen Ruhe, das wir zurückerobern.
Und wer will nun der Schweizer Bevölkerung klar machen, dass sich die Muslime brav auf die Türme beschränken würden? Sie nicht über kurz oder lang mit Lautsprechern bestücken wollten? Ich jedenfalls nicht. Denn schon gibt’s mindestens einen Präzedenzfall in unserer nördlichen Nachbarschaft. Kindliche Gemüter sind den Kindern gar ähnlich: Sie füllen jede gewährte Lücke sofort aus. Und wer will nun mir beibringen, dass der Glaube an 70 Jungfrauen, die im Paradies warten (oder überhaupt der Glaube an einen Gott, womit wir wieder bei uns wären) nicht Ausdruck eines zumindest in ein paar wesentlichen und ungünstigen Punkten kindlichen Gemüts seien?
Es war zudem wohl keine glückliche Strategie, Menschen, die voller Angst sind, mit Toleranz zu kommen. Das ging total bachab. Besser wäre wohl, sie wirksam zu beruhigen. Nur – und das ist mein letztes Geständnis für heute: Ich vermöchte das nicht.
Ja, so einfach ist das nicht mit diesen lächerlichen paar Türmen.
Danke für diesen ausgewogenen Kommentar, dem ich weitestgehend zustimmen kann. Man musste in Schweizer Blogs (auch den grossen) in den letzten Tagen ja viel Mist lesen, leider. – Im Gegensatz zu dir würde ich mich allerdings sehr über eine Abschaffung der Kirchtürme (und von mir aus auch gleich der Kirchen) freuen. Direkt vor meinem Fenster ist eine und ich sitze jeden Tag um sieben beim Sturmklingeln senkrecht im Bett.
Mmmatze am 2. Dezember 2009 um 13:20 Uhr