Diskussion, Schweigen, oder… ?
Prompt habe ich mich im Beitrag ‚Versprochen‚ versprochen und die Antwort auf ‚diskutieren oder schweigen‘ vorweggenommen.
Nun ja, also:
Gibt es für jene, denen es wirklich um eine Lösung geht, eine Alternative zu Diskussion oder Schweigen?
Tatsächlich bietet sich eine gänzlich anders strukturierte Kommunikationsform an.
Ich tue hier so, als ob ich nicht wüsste, dass sich der Begrfiff Dialog längst zum Modewort entwickelt hat. Dass ich das tue, hat seinen Grund. Es gibt mir die Gelegenheit, die beiden Kommunikationsformen deutlich voneinander abzugrenzen. Damit kann jede Person, die meine Angaben selbst ausprobiert hat (und meine Beobachtungen bestätigen kann), jeweils leicht erkennen, was gerade vor sich geht – unabhängig davon, wie es genannt wird. Und von dem, was da vor sich geht, kann man das zu erwartende Ergebnis ziemlich zuverlässig voraussagen und so das eigene Verhalten energieoekonomisch darauf abstellen.
Was nämlich ansprechend als Dialog bezeichnet oder angekündigt wird, ist noch lange keine Garantie, dass da etwas anderes als eine Diskussion abläuft. Dialog bedingt nämlich mehr, als die Bereitschaft dazu. Dialog ist anspruchsvoll. Nicht technisch, aber menschlich.
In einem Seminar mit dem Thema ‚Dialog lernen‘ haben am Schluss die Teilnehemenden applaudiert. Aber ich glaube, das war nicht wirklich ehrlich. Ok, es war wohl ziemlich spannend und auf respektablem Niveau. Bestimmt jedoch waren die meisten in der Tiefe frustriert. Haben sie doch vor allem ihre Grenzen kennengelernt. Dann war das Seminar zu Ende. Grund: Ich hatte bei der Planung des Kurses die beim Erlernen der dialogischen Grundhaltung zu erwartenden Schwierigkeiten zu leicht genommen. Mein Fehler.
Wer sich zu Herzen nimmt, dass Dialog nicht bloss ansprechend, sondern auch anspruchsvoll ist, ist gut gewappnet. Und natürlich lohnt sich der Aufwand, das zu lernen, tausendfach. Ist der echte Dialog doch die Grundlage für das Finden von Lösungen – kleine und grosse. Und dies oft überraschend einfach und rasch.
(Gut, ich respektiere, dass bei der Mehrzahl der politischen oder wirtschaftlichen Spiele – seien sie gross oder klein, im lokalen oder Weltmassstab, verbunden mit Debatten oder gar Krieg – eine Lösung überhaupt nicht gefragt ist (sondern genau das, was ich als heimliche Antriebe in der Diskussion beschrieben habe): Recht haben und Platzkampf – letztlich also Macht auf Kosten anderer. Beispiel Nahostkonflikt.)
Worum es mir aber zuerst geht, ist nicht die Lösung, sondern die Umkehr der Dynamik. Die kann übrigens unilateral eingeleitet werden. Wenn erst die unselige Dynamik, die den Konflikt nährt und streichelt, gebrochen ist (wenn einer aussteigt, dauert’s nicht mehr lang), kann man immer noch schauen, wie es mit der Bereitschaft für eine echte Lösung aussieht. Ja, in der Regel kann man erst nach dem Auflösen der konfligierenden Dynamik überhaupt die Lösungsbereitschaft testen. Wenn sich dann jemand immer noch weigert, in Dialog zu treten, bleibt ja noch das grosse, bekannte Repertoir weiterer Schritte; aber dann an der Sache orientiert und nicht am Recht haben oder an anderen untauglichen Haltungen.
Nun also zu Zweck und Wirkung des DIALOGS:
Der Dialog ist enorm machtvoll in Bezug auf Lebensförderung.
Der Dialog ist die grosse Kür der Kommunikation.Der Dialog lebt von zwei Grundannahmen:
- Mir fehlt etwas
Dieses Fehlen muss kein Leiden sein. Es kann einfach der Ausdruck von Interesse, von Neugierde oder eines Wunschs sein. Oder eben der Bedarf nach einer Lösung.- Du bist kompetent
- Der Dialog ist im höchsten und besten Masse kreativ.
- Er fördert mit Leichtigkeit unvermutete, neue und vor allem richtige Lösungen zutage (richtige Lösungen sind jene, bei denen alle Beteiligten – und zusätzlich alle Betroffenen – gewinnen. Dies auch dann, wenn sie einen hohen Preis bezahlen müssen!).
- Der Dialog macht daher Freude und beglückt. Er hat zusätzlich die Qualität von ‚leicht‘.
- Im Dialog sind beide Partner entspannt, in Kontakt und zugewandt.
- Der Dialog lebt von gegenseitiger Achtung und Anteilnahme, von Nichteinmischung und So-sein-Lassen. Der Dialog fördert somit die Würde und das Sein aller Beteiligten. Er bereichert und belebt alle.
- Der Dialog ist frei von Taktik und Strategie. Er ist ehrlich, offen und unmittelbar.
- Der Dialog ist die einzige Kommunikationsform, durch die Lösungen erscheinen, bei der selbstverständlich alle gewinnen (vielleicht sollte jeder, bevor er sich ‚win-win‘ auf die Stirn tätowieren lässt, ernsthaft prüfen, ob er das Handwerk des Dialogs auch wirklich beherrscht (gilt auch für weiblich)).
- Der Dialog ist die zu lernende Kommunikationsform für Teams, die längerfristig funktionieren sollen. Er ist mE unabdingbar dann, wenn vom Team Kreativität gefordert ist.
- Der Dialog ist das Must für Verhandlungen. Dafür stehe ich, im Wissen, dass er dort praktisch nie zum Einsatz kommt.
- Der Dialog ist auch die bevorzugt zu verwendende Kommunikationsform zwischen hierarchisch unterschiedlich gestellten Personen, soll die hierarchisch tiefer gestellte Person ihre Eigenständigkeit und Entscheidungskompetenz entfalten (Chef-Angestellte, Lehrer-Schüler/-Studenten, Eltern-Kinder).
- Während die Diskussion allein nicht funktioniert (zum Glück!), ist es möglich, in der dialogischen Haltung zu bleiben, auch wenn das Gegenüber unfähig ist zum Dialog. Man hält einfach das Wohl beider im Auge und wartet dann auf gute Gelegenheiten, es zu fördern.
Fazit von Diskussion und Dialog: Die Diskussion ist vom Dialog so weit entfernt, wie die Kuh vom Mond.
Übrigens: Im Dialog kann man zwar unmöglich diskutieren, aber wunderbar schweigen…
Sie sind ein Idealist
Dr. Peter Raschle am 22. August 2006 um 9:37 Uhrja, das war ich vielleicht früher; früher, früher.
unterdessen bin ich längst realist. nicht einmal für tagträume reicht’s mehr. dafür träume ich umso mehr in der nacht.
als realist stelle ich nützliches zeugs hin, ohne anspruch, dass es auch genutzt wird.
2BD am 22. August 2006 um 11:37 Uhrwas eignet sich besser dafür, als ein verdammter blog?