Wird Blocher Diktator?

von 2b am 1. Oktober 2006

Oder ist er es schon?

Es könnte zum Vergitzeln sein.
Manche Journalisten fahren Christoph Blocher an den Karren. Andere analysieren ihn, sagen zB, dass er an seinem Amt als Bundesrat hänge, ja klebe. Manche erkennen sogar, dass er dafür bereit ist, viel von dem aufzugeben, worauf er sich früher etwas einbildete.
Aber es scheint, dass niemand es wagt, es dann ganz auszusprechen, was er oder sie zumindest ahnt.
Also tu ich das mal.

Christoph Blocher ist in Wahrheit (die Wahrheit über uns liegt im Rootset!) ein kleiner Bub, der sich nicht zugehörig fühlt und daher sehr unwert.

Er machte den Doktortitel – es änderte nichts. Er machte eine marode Firma gross – es änderte nichts. Er brachte Milliarden in seinen Besitz – es änderte nichts. Christoph Blocher blieb im Innern der kleine, einsame Bub, der nicht dazugehört.

Wie viele vor ihm, machte er aus dieser schrecklichen Schwäche eine schreckliche Stärke

und schadete als Oppositionspolitiker dem Land, was er nur konnte (ohne, dass die Mehrheit das bemerkt hätte).
Er kämpfte gegen Windmühlen, die ‚Classe Politique‘, zu der er so gern dazugehört hätte. Ganz nach dem Prinzip: ‚Was ich nicht haben kann, das verachte ich‘. Statt, dass es immer weh tut, fühlt es sich dann fast wie stark an. Aber es bleibt Schwäche – ich sehe es ihm von Weitem an.

Dann kam die Chance, doch noch aufgenommen zu werden und – endlich! – dazuzugehören. Und Blocher sprang, war für alles bereit, nur damit er in den Bundesrat kam.
Er kam. Gegen Widerstand der ‚Classe‘, aber unvermeidlich.
Ich meine, es ist doch nun für alle – ausser für seine irritierten Parteigenossen – verständlich, dass ihm das alles bedeutet und er alles dafür tat.
Für einen kurzen Moment offenbarte er uns allen, dass seine ganze politische Aktivität nur eine Farce ist. Nur da, um die enormen Ängste eines kleinen, einsamen, sich unwert fühlenden Buben zu kaschieren und vielleicht, vielleicht… ohne, dass jemand das Geheimnis errät, sein Streben zur Erfüllung zu führen.

In dieser Hinsicht ist Christoph Blocher übrigens in vollkommenem Einklang mit zahllosen seiner Kollegen und Kolleginnen – mit allen eben, die nach Macht gieren und damit versuchen, ihre Unsicherheit, ihre Schwäche und ihr Unwertempfinden zu kompensieren.

Abgesehen vom Schaden, den diese Menschen anrichten, finde ich das Ansinnen ganz ok. Wer möchte das dem kleinen Buben nicht gönnen – wenn’s ihm denn etwas nützen würde!

Die Dummen sind wir, wenn wir diesen ganzen vorgespielten Überbau ernst nehmen – statt zu lächeln – und womöglich noch darauf vertrauen oder gar bauen.

Soweit so gut. Vorerst schien es angenehm für den kleinen Buben und dumm für uns Volk, dass sich in Christoph Blochers Paradies, dem Bundesrat, neben ihm fast nur die Sorte Schwächlinge tummelt, die das nicht so gut wie er verbergen kann: Sie überliessen ihm, dem kampferprobten Machtmenschen, rasch den ganzen Platz (ausser einem, der es aber partout nicht versteht, Mehrheiten hinter sich zu scharen – und daher verliert). Zweifellos überrascht über dieses Geschenk, konnte Blocher seinen ganzen politischen Klimbim, den er als Eintrittsticket in den erlauchten Kreis bereit war, draussen zu lassen, wieder zusammenramüsieren und nachträglich in sein Paradies zügeln.

So, liebe Mitmenschen, werden Diktatoren gemacht.

Zum Glück sind in der Schweiz die Verhältnisse für eine solche Solokarriere nur in der Wirtschaft, nicht aber in der Politik so richtig günstig. Die Verhältnisse! Für die Mehrheit der Menschen (die Konservativen machen mehr als die Hälfte aus) würde ich nicht einmal einen Finger ins Feuer halten (meine Vorsicht hat mit dem Innenleben dieser Menschen zu tun, worüber ich bereits berichtete und demnächst weiter berichten werde). Bedenken wir: Diktatoren – so denn die politischen Verhältnisse für sie günstig sind – benötigen wesentlich weniger Menschen, die sie unterstützen, als Christoph Blocher Wähler hat.

So leisten wir uns in der Schweiz zurzeit ein kleine, moderate Diktatur, so gut versteckt im demokratischen Gwändli, dass es fast gar nicht auffällt. (Anmerkung: Wir sollten beim Wort Diktatur nicht immer gleich an die Nazis denken. Napoleon, geehrt und verehrt bis zum heutigen Tage, war zB auch ein Diktator!).

Und jetzt kommt – zum Schluss, wie es sich gehört – der Clou der Geschichte:

  1. Der kleine, einsame Bub, Christoph Blocher, ist am vermeintlichen Ziel seiner Wünsche angelangt und trotzdem wieder allein. Wieder gehört er nicht dazu. Die andern haben sich von ihm zurückgezogen (sofern nicht schon vorher furchtbare Angst hatten vor ihm, wie seine beiden Spezis, und sich fest bückten).
    Wer hätte es ihm nicht gegönnt, dem kleinen Bub? Nun aber war der ganze Aufwand für nichts und es bleibt nur der Schaden für das Land.
    Halt wie das so üblich ist mit dieser Art Motivation – die sich schliesslich selbst einholt – und mit dieser Art Politkarriere.
  2. Aber das ist noch nicht alles. Nichts, was wir aussen tun könnten, ändert auch nur im geringsten etwas am Rootset in uns drinnen. Christoph Blocher ist und bleibt bis er stirbt: der Bub, der sich nicht zugehörig fühlt.
    Manche versuchen sich mit reden vom ‚gerechten Schicksal‘ usw zu trösten. Ich nicht. Ich finde es traurig für ihn. Und Scheisse für uns.

3 Kommentare »

  1. Sehr geehrter Herr Brändli-Dietwyler
    ich bin Mitglied der CVP, aber nicht vom frommen Flügel. Das heisst,ich kann auch Ihre Aussagen über Religion goutieren, ohne dass ich sie deswegen teilen muss. Ja, ich finde sie sogar anregend. Ich bin nämlich der Ansicht, wir sollten unser Denken und Handeln regelmässig auf dessen Zweckmässigkeit überprüfen.
    Nun stosse ich mich aber zunehmend daran, dass Sie die Konservativen scheinbar alle in einen Topf werfen. Ich meine, konservative Werte haben, neben fortschrittlichen, durchaus auch ihre Berechtigung.

    G.S. am 2. Oktober 2006 um 9:34 Uhr

  2. sehr geehrte(r) herr/frau g.s.
    sie demonstrieren für mich eindrücklich, dass aufgeklärte geister, die zudem eine gewisse innere toleranz besitzen, durchaus in der lage sind, zu erkenne, dass meine voten eine tiefe wertschätzung für die menschen leitet.
    das führt uns auch gleich zu ihrem einwand:

    das ist ja genau der punkt: dass alle – in diesem beispiel konservativen – menschen in einem topf sitzen – die einen natürlich mehr am rand, die andern mittendrin (die bedingungen sind ziemlich verschieden, je nachdem wo man sitzt). und dieser topf ist angeschrieben. er heisst: ‚konservative werthaltung = aus der not geboren‘.
    das leben fliesst nämlich fortwährend. und wer festhält – sich gleichsam konserviert – verliert alsbald das leben aus den augen (oder hat es vorher schon verloren, so dass einzig das fest bleibende, gekittet mit selbstgewählten, sicherheit versprechenden mythen, gewähr zu bieten scheint, dass man existiert).

    ich liebe die menschen. ich achte sie und erfreue mich an deren vielfalt. aber vielfalt ist nicht gleich beliebigkeit. ich differenziere sehr genau. deshalb darf ich das: eine gruppe in einen topf werfen. ich darf mich darauf verlassen, dass ich gute, menschenfreundliche gründe habe, wenn ich das tue. und dass mich dieser so ungeheur verbreitete zwang, recht haben zu müssen – der ua kriege auslöst -, einen scheiss schert.

    mein zugegeben manchmal unangenehm durchdringender blick hilft zu unterscheiden und zu erkennen, was uns wirklich antreibt.
    und erst dann, wenn wir uns als im selben topf sitzend erkennen, können wir auch gemeinsam aus dem topf raussteigen.
    und das braucht es: wir müssen das, zumindest viele, gemeinsam tun. wenn wir in die hehre, oberflächliche vielfalt verliebt bleiben, heisst das blosss, wir fürchten uns vor den konsequenzen, wenn man genau hinschaut. wir bleiben dann im topf, dessen existenz wir verneinen. ich persönlich find’s dort drin sehr ungemütlich und eng.

    wenn ich ihnen, als aufgeschlossener, toleranter mensch überhaupt eine empfehlung geben darf: lesen sie den essay ‚matrix – leben auf der Bühne‘ (mehr darüber). dort können sie miterleben, wie wir menschen die töpfe bauten und dann perfekt tarnten.
    nichts für ungut!
    2bd

    2BD am 2. Oktober 2006 um 10:03 Uhr

  3. Ich bin ein ‚er‘. Aber Sie verstehen, dass ich meine Identität nicht unnötig preisgeben möchte. Ich möchte weiter ungestört Ihre Beiträge zum Weltgeschehen lesen.

    G.S. am 2. Oktober 2006 um 19:53 Uhr

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