Ein bisschen Feuilleton für eine mutige(?) Zeitung
Ab und zu entschliesse ich mich spontan, einen Artikel an verschiedene Redaktionen zu schicken. Zum Beispiel diese Sonntagspredigt (inklusive und besonders die Fussnote!). Das ist stets auch eine Aktion zum Schmunzeln: Was machen die jetzt damit?
Immer wieder mal sage ich mir zwar – und das zu Recht: „Vergiss die Medien! und die Verlage!“ Doch dann, plötzlich überkommt mich der Schalk. Und ich schicke den Artikel los. Weil der Aufwand dafür ja minimal ist. Wenigstens das.
Dieser Artikel – ich gebe es zu – ist zwar super, aber etwas gar dicht. Ein karrierebewusster Autor würde daraus ein Buch machen. (Nun musst du als rechtschaffener Kritiker oder -in unbedingt schreiben: „Seht nur, wie der sich überschätzt!“). Was also soll ein Journalist, bzw -in damit anfangen?
Ich habe den Artikel also an die NZZ-Sonntag, an den Tagi, an den Beobachter und an die WOZ geschickt (jeweils ohne die Klammer nach Abschnitt 1). Die FAZ und die Zeit (und was sonst noch?) fehlen noch, da ich auf deren Website in zwei Minuten keine verantwortlichen Redakteure gefunden habe.
… mit dem schlichten Begleitsatz:
„Ein bisschen Feuilleton für eine mutige(?) Zeitung.“
In diesem Stil habe ich ihn bewusst abgefasst: Sanft, eloquent, konservativ-gebildet formuliert – und gleichzeitig gesalzen im Inhalt.
Die Zeitungen schreiben ja stets, wie wichtig ihnen die Meinung von LeserInnen sei. Ja, ähnlich, wie die PolitikerInnen, wie unsere BundesrätInnen (Ha, diese Geschichte folgt demnächs!).
Als erste hat die WOZ geantwortet: „Lieber Herr Brändli-Dietwyler. Besten Dank für Ihre Zuschrift – leider sehe ich keine Möglichkeit, den Text in der WOZ abzudrucken. Mit freundlichem Gruss, Franziska Meister.“
So weit so gut. Dann kam der Beobachter, der, glaub ich, schon einige durchaus positive Artikel über mich schrieb:
„Vielen Dank für Ihre E-Mail, mit welcher Sie uns einen Artikelvorschlag unterbreiten. Zuschriften aus unserem Leserkreis bringen wertvolle Anregungen für unsere Arbeit ((hört, hört!)). Wir bitten Sie um Verständnis dafür, dass wir angesichts der täglichen Fülle von Posteingängen nicht in der Lage sind, alle Briefe ausführlich zu beantworten. Für Ihren Hinweis und Ihr Interesse an unserer Zeitschrift danken wir Ihnen noch einmal bestens. Marlise Merz, Redaktionssekretariat Beobachter.“
Also die typische Standardantwort, ohne dass jemand auch nur das Mail geöffnet hätte, von diesen für die Zeitung doch so wichtigen Zuschriften. Ich antwortete dann noch: „Sehr geehrte Frau Merz. Was heisst das nun. Ist das eine Absage? Oder was?“ Keine weitere Antwort. Die haben ja soviel zu tun, sage ich.
Die NZZ und der Tagi prüfen den Artikel offenbar so ernsthaft, dass sie sich noch nicht zu einer Antwort durchringen konnten. Vielleicht muss noch das Patientenkollektiv (siehe unten) – äh, sorry: das Redaktionskollektiv darüber befinden.
Kurz: Keine Neuigkeit: 90 % der JournalistInnen sind vollkommen ausserstande, den Wert meiner bescheuerten Ergüsse zu schätzen (auch die Geschichte «De Weck» folgt noch). Das gilt leider auch für jene, die mich um Artikel gebeten haben und dann – bis zur Kastration entstellt, damit sie in das übliche «nur-nichts-bewegen» Schema passen – veröffentlichten. Der «News-Room», der mittlerweile offenbar alles andere auffrisst, dominiert. Feuilleton, was ist das?
Tja. Bleibe ich bei meinem Blog und dem INSIDER und deren geschätzter tausendfachen … Leserschaft. Aber ein lustiges Spiel allemal.
Übrigens habe ich das im Artikel gesuchte Buch noch gefunden: Erich Neumann, «Die Ursprungsgeschichte des Bewusstseins».
Ja, die hatten noch Musse zu denken …
Die Bücher, die meine Entwicklung mitprägten, habe ich offenbar nicht entsorgt. Irgendwo müssen also auch noch der «Neill», «Plack» und all die andern liegen. Auch den Psychologen und revolutionären Marxisten (wie hiess der schon wieder?), der zuerst seine Diplomarbeit, dann seine Dissertation (alle Achtung, FU Berlin!) der revolutionären Psychotherapie gewidmet hat: grossartig, saftig, animierend, finde ich vielleicht auch noch. Das fand übrigens statt zur selben Zeit etwa, wie das PK Heidelberg (das Patientenkollektiv). Auch ein tolles Buch über ein tolles Projekt. Da kann man mal mit gutem Grund sagen: Das waren noch Zeiten! Doch lösten sie sich schliesslich in Rauch auf, all die grossartigen Aktionen. Denn:
Die Revolution, die findet nicht da draussen statt, sondern in uns drin – oder gar nicht.
Das Äussere ergibt sich dann von selbst.
Ganz im Gegensatz zu umgekehrt – so wie die Menschengeschichte bisher konsequent verlief.
Ja, es ist halt immer noch leichter da draussen zu kämpfen, als mit dem eigenen Innenleben.
Fazit der journalistischen Offensive: Immerhin, eine Gelegenheit zu sparen: Es reicht vollkommen, Zeitungen quer zu lesen.
Ja, vielleicht liegen wir alle mit unserer Schnell-schnell-Kultur ja ziemlich quer.
Zum realen Leben natürlich.
Tja, freuen wir uns auf Pfingsten.
[…] kleine Projektchen, wieder einmal eine Reihe von Zeitungen mit einem Artikel (Wort zum Sonntag) zu beliefern und zu schauen, was sie mit dem doch recht anspruchsvollen und auch ein bisschen radikalen Stoff […]
2bd Blog | Bernhard Brändli-Dietwyler » Ein bisschen Feuilleton für eine mutige(?) Zeitung – Aufdatierung am 4. Juli 2011 um 23:33 Uhr